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Europäischer Stör ist Fisch Jahres 2014: "Auf den Spuren eines lebenden Fosils"

Zu Besuch bei Deutschlands erster Kaviar Manufaktur DESIETRA / Tierhalter unterstützen Artenschutzprojekte

Es ist das „urige“ Aussehen, das die Blicke der Besucher im Tümpelgarten in Fulda auf das Aquarium in der Kaltwasseranlage mit den Stören lenkt. Irgendwie hat man den Eindruck, dass diese Art von der evolutionären Entwicklung vergessen wurde, was gar nicht mal so falsch ist. Störe gab es nämlich schon vor den Dinosauriern und von daher ist es völlig korrekt, wenn man diese faszinierende Art als „lebendes Fossil“ bezeichnet.

Die Störe haben es über zig tausende Jahre geschafft sich zu behaupten und den Lebensbedingungen immer wieder anzupassen. Das besondere dieser Fische ist die Tatsache, dass die meisten Störarten zur Paarungszeit das Meer verlassen und sich ähnlich wie Lachse in Richtung Flüsse bewegen, um im Süßwasser abzulaichen. Dann kam der Mensch und verbaute mit Wehren und anderen Hindernissen den Fischen die Wege zu ihren Laichplätzen. Eine traurige Tatsache, die die Art in den deutschen Gewässern innerhalb weniger Jahrzehnte fast hat aussterben lassen.

Aus diesem Grund wurde der Europäische Stör (Acipenser sturio) in diesem Jahr vom Bundesamt für Naturschutz in Abstimmung mit dem Angelfischerverband (DAFV), dem Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) und dem Österreichischen Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz (ÖKF) zum Fisch des Jahres gekürt. Man möchte auf die Problematik aufmerksam machen und gleichzeitig Projekte vorstellen, die die Wiederansiedlung der Störe unterstützen.

Wirtschaftliche Bedeutung
Bei Stören denkt man unweigerlich an Kaviar, also die Eier (Rogen) der Weibchen, die als Delikatesse beliebt sind. Aber auch das grätenfreie Fleisch dieser Knochenfische ist äußerst schmackhaft und immer häufiger im Lebensmittelhandel zu finden. Störe werden inzwischen in professionellen Zuchtfarmen vermehrt, um Kaviar und Fleisch zu gewinnen. Die meisten dieser Unternehmen sind sich aber auch ihrer Verantwortung hinsichtlich der Arterhaltung bewusst und kooperieren deshalb mit Naturschutzorganisationen, die sich um die natürliche Erhaltung der Störe bemühen. Marcus Görnert, Mitglied des Fuldaer Aquarien- und Terrarienvereins „Scalare“ und Pfleger der großen Kaltwasseranlage im Tümpelgarten, arbeitet in einer solchen Zuchtstation, die kürzlich von der scalare-fulda.de-Redaktion besucht wurde.

Nachhaltige Produktion und Haltung
Die Firma DESIETRA gibt es seit dem Jahr 2002 im sogenannten „Industriegebiet West“ im Osthessischen Fulda. Sie gilt als erste deutsche Kaviar-Manufaktur und beschäftigt insgesamt 22 Mitarbeiter. Untergebracht ist die Firma in mehreren Hallen, in denen die Fische gezüchtet, gehalten und nach der Schlachtung weiter verarbeitet werden. Insgesamt gliedert sich die Manufaktur in die Bereiche Aufzucht, Mast, Produktion, Technik und Verwaltung. Geleitet wird das Unternehmen von dem geschäftsführenden Gesellschafter Jörg-Michael Zamek. Ihm zur Seite steht der erfahrene Agraringenieur Mesfin Belay, der als Prokurist und Betriebsleiter für die Abläufe in der Zuchtanlage und Produktion verantwortlich ist.

Betritt man die Hallen, in denen die Fische gehalten werden, fällt sofort auf, wie großzügig, aufgeräumt und sauber die gesamte Anlage ist. In der Aufzuchtstation sind die jungen Störe nach Art und Größe in Wasserbehältern untergebracht. Es handelt sich dabei um die Arten Sibirischer Stör (lat. Acipenser baeri), Russischer Stör (Acipenser gueldenstaedtii), den Sterlet (Acipenser ruthenus) und den wohl bekanntesten der Art - den Belugastör (Huso huso). „Das Wasser wird sowohl mechanisch als auch biologisch gefiltert“, berichtet Mesfin Belay der auch darauf hinweist, dass keinerlei chemische Stoffe oder Medikamente dem Wasser zugegeben werden. Letztendlich funktioniert die Anlage wie ein großes Aquarium, bei dem durch die entsprechende Filterung ein biologisches Gleichgewicht mit nützlichen Mikroorganismen im Wasser erzeugt wird. Aufbereitet wird das Süßwasser über eine Kläranlage und die Werte werden ständig im eigenen Labor überwacht und das durch eigene Tiefbrunnen geförderte Wasser kann somit ohne weitere Behandlung direkt in den örtlichen Vorfluter wieder eingeleitet werden.

Verlässt man die Aufzuchtstation kommt man in eine weitere Halle, in der die Störe in riesigen Becken untergebracht sind. Es sind die weiblichen Tiere, die hier großgezogen werden um später den Rogen (Eier) gewinnen zu können. Da die Geschlechterbestimmung bei Stören schwierig ist, wird sie mit Hilfe eines Ultraschallgerätes vorgenommen. Die männlichen Störe werden aussortiert und z.B. an Angelvereine oder zur Fleischgewinnung weitergegeben. Die Fütterung der Störe wird halbautomatisch gesteuert und das Gewicht der Fische alle zwei Wochen überprüft.

Regelmäßig kontrolliert wird das Lebensmittel produzierende Unternehmen vom örtlichen Veterinär, mit dem DESIETRA seit vielen Jahren eng zusammenarbeitet und der der DIN ISO 9001:2008 zertifizierten Manufaktur einen einwandfreien Umgang in Sachen Hygiene und Tierhaltung bescheinigt.

Je nach Art wird den weiblichen Tieren der Rogen im Alter zwischen 5 und 15 Jahren entnommen, der dann zu Kaviar verarbeitet wird. Hierbei ist das Reifestadium der Eier entscheidend, dass mit Hilfe von Ultraschall und der jahrelangen Erfahrung der Mitarbeiter bestimmt wird. „Hier dürfen keine Fehler gemacht werden, denn der Wert des Kaviars eines Fisches beträgt durchschnittlich 4 bis 5 T€“, gibt Geschäftsführer Zamek zu bedenken. Wird der richtige Zeitpunkt doch einmal verpasst, dauert es weitere zwei Jahre, bis die neuen Eier wieder soweit sind. Bevor der Kaviar dann entnommen wird, werden die Störe vier Wochen in frischem Brunnenwasser gehalten, was sich positiv auf den Geschmack auswirkt.

Optimale Verwertung nach „indianischem“ Vorbild
Der Bereich, in dem der Kaviar entnommen und das Fleisch verarbeitet wird, ist über eine Hygieneschleuse zu erreichen. Hier ist peinlichste Sauberkeit die oberste Regel. Nochmals hiervon getrennt und mit einem höheren Standard ausgestattet ist die Kaviarproduktion. Hier werden selbst die Luftzufuhr und das städtische Trinkwasser in einem speziellen Verfahren nochmals desinfiziert um die Gesamtkeimbelastung des Endproduktes so niedrig wie möglich zu halten. Somit hat dieser Raum quasi „OP-Standard“. Nach dem Produktionsvorgang wird der Kaviar in unterschiedlich große Dosen verfüllt, um 14 bis 21 Tage zu reifen - ähnlich wie Käse, Wein oder andere Edelprodukte. „Ein wesentlicher Qualitätsstandard unseres Kaviars ist, dass dieser bei der Abfüllung nicht vermischt wird. Dies wird auf den Etiketten aller unser Verkaufspackungsgrößen für den Kunden auch offen gekennzeichnet“, erklärt Diplom-Ingenieur Belay, dem die Kompetenz und Leidenschaft in seinem vielseitigen Beruf regelrecht anzumerken ist. Beim Schlachten des Fisches, der Produktion des Kaviars inklusive des Reifeprozess und der Weiterverarbeitung durchläuft die Delikatesse mehrere Qualitätskontrollen gemäß ISO- und CITES-Standard (CITES = internationale Richtlinien des Washingtoner Artenschutzabkommen). Hier werden genauestens und lückenlos die Rückverfolgbarkeit eines jeden einzelnen Fisches dokumentiert und die Qualität des Kaviars nach jedem Produktionsschritt kontrolliert und protokolliert. Das grätenfreie Fleisch ist insbesondere in Osteuropa beliebt und wird tiefgefroren verfrachtet. Insgesamt erinnert der Stör in Sachen Verwertung ein wenig an den Umgang der Indianer mit den Büffeln, die neben dem Fleisch auch für das Fell und die Knochen Verwendung hatten. Beim Stör wird neben dem Kaviar und dem Fleisch auch die Haut als Leder weiterverarbeitet. Aus der Schwimmblase wird eine Art Klebstoff gewonnen, der zur Restaurierung alter Gemälde eingesetzt wird.

Unterstützung von Artenschutzprojekten durch DESIETRA
Liest man das alles so kann schon der Eindruck entstehen, dass es sich hierbei um eine industrielle Produktion mit lebenden Tieren handelt, die gerne von Tierschützern angeprangert wird. Das ist sicherlich nicht ganz falsch, denn auch hier geht es um Wirtschaftlichkeit, hohe Qualitätsansprüche und letztendlich Arbeitsplätze. Allerdings ist der Respekt vor dem lebenden Tier im gesamten Unternehmen zu spüren und der Verzicht auf Chemie, Hormone und Antibiotika zeigt die Verantwortung der zertifizierten Firma DESIETRA gegenüber der Umwelt und dem Verbraucher. Es ist aber nicht nur die Qualität des Kaviars und der anderen Produkte, auf die die Manufaktur Wert legt. Geschäftsführer Jörg-Michael Zamek reist in den nächsten Tagen wieder einmal nach Russland, um ein Renaturierungsprojekt zur Wiederansiedelung von Stören in der Wolga zu unterstützen. Dieses und weitere Projekte werden von dem Fuldaer Unternehmen unterstützt und gefördert, das sich seiner Verantwortung im Artenschutz durchaus bewusst ist und hier sowie in allen Betriebsabläufen vorbildlich und nachhaltig arbeitet.

Renaturierungsprojekte in Deutschland
Auch in Deutschland gibt es einige Projekte, die die Wiedereinbürgerung des Störs fördern sollen. Die „Gesellschaft zur Rettung des Störs e.V.“ arbeitet zusammen mit Behörden, Fischzüchtern, Hobbyanglern und Angelverbänden daran, reproduzierende Bestände in deutschen Gewässern zu etablieren. Als Hauptziele nennt die Gesellschaft den Schutz der Restbestände in Nord- und Ostsee, die Zucht für Besatzungsmaßnahmen in geeigneten Gewässern und den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume. Auf der Webseite der „Gesellschaft zur Rettung des Störs e.V.“ findet man Informationen zu den vielversprechenden Projekten.

Damit die Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden können, sind die Verantwortlichen auf Spenden angewiesen, die unkompliziert auf der Homepage http://www.sturgeon.de/ möglich sind.

Tierhalter unterstützen Artenschutzprojekte
Die genannten Beispiele zeigen, dass Artenschutz nur dann funktionieren kann, wenn man neben den Natur- und Tierschutzverbänden auch die Tierhalter, Angler und die Industrie zusammenbringt. Die unterschiedlichen Erfahrungen dieser Interessengruppen potenzieren sich zu erfolgreichen Projekten, die am Beispiel des Störs deutlich werden und hoffentlich Nachahmung finden. Es ist nicht wie so oft das Gegeneinander, sondern das Miteinander, was Erfolg im Natur- und Artenschutz bringt - also die Zusammenarbeit der Tierschützer mit den verantwortungsvollen Tierhaltern.

 
Idee: Marcus Görnert, Markus Jäger, Sven Haustein
Text und Fotos: Sven Haustein

 

Quellen:
- Pressemitteilung „Fisch des Jahres 2014 - der Stör“ vom Deutschen
  Angelfischerverband e.V. (November 2013)

- Webseite der Gesellschaft zur Rettung des Störs e.V.
  (http://www.sturgeon.de/)

- Besichtigung der Kaviar Manufaktur „DESIETRA“ in Fulda am
  14. August 2014 mit Geschäftsführer Jörg-Michael Zamek und
  Betriebsleiter Mesfin Belay

 

   


Wurde zum Fisch des Jahres 2014 gekürt: Der Stör.
(Aufgenommen in der Kaltwasseranlage im Tümpelgarten)

 

Der sicherlich bekannteste der Art ist der Belugastör (Huso huso).
(Aufgenommen in der Kaltwasseranlage im Tümpelgarten)

 

Der Stör im Portrait.
(Aufgenommen in der Kaltwasseranlage im Tümpelgarten)

 

Die Firma DESIETRA züchtet Störe zur Lebensmittelgewinnung
und unterstütz Artenschutzprojekte in Russland.

 

Die Störe werden bei DESIETRA in großzügigen Behältern gehalten.
Das Wasser wird mechanisch und biologisch gefiltert.

 

Je nach Art wird den weiblichen Tieren der Rogen im Alter
zwischen 5 und 15 Jahren entnommen, der dann zu Kaviar
verarbeitet wird

 

Der Wert des Kaviars eines Fisches beträgt durchschnittlich
4 bis 5 T€.

 

Diplom-Agraringenieur Mesfin Belay (rechts) ist für die für die
Abläufe in der Zuchtanlage und Produktion verantwortlich.

 

Die Störe werden komplett verwertet. Neben dem Kaviar ist das
schmackhafte Fleisch der der Fische sehr beliebt.

 

Gilt als erste deutsche Kaviar-Manufaktur: Die Firma DESIETRA
aus Fulda.

 

Aus der Schwimmblase wird ein Klebstoff gewonnen, der bei der
Restaurierung alter Gemälde eingesetzt wird.


© by Aquarien- und Terrarienverein "Scalare" 1925/55 e.V. Fulda